Die gute chemische Beständigkeit nichtrostender Stähle (s. Korrosionsbeständige Stähle) ist auf die Anwesenheit einer dichten, zähen, festanhaftenden und sehr dünnen (1 nm bis 20 nm) auf der Stahloberfläche zurückzuführen. Sie bildet sich in Anwesenheit von Sauerstoff bei Chromgehalten über 12%. Diese Oxidschicht verhindert, dass Metallionen in Lösung gehen. Aus elektrochemischer Sicht verhält sich der Stahl also passiv. Dementsprechend werden diese Schutzschichten als Passivschichten bezeichnet. Diese Schicht ist umso dicker und somit wirkungsvoller, je größer der Chromanteil im Stahl ist. Neben Chrom spielen auch andere Elemente eine wichtige Rolle vor allem Nickel und Molybdän sowie auch Stickstoff. Mit steigendem Chromgehalt lassen sich die Stähle schlechter bearbeiten. Dies ist einer der Gründe, weshalb den Stählen Nickel zugefügt wird. Nickel ist zudem maßgeblich für die Beständigkeit gegen nichtoxidierende Säuren. Besonders beständige Stähle enthalten zwischen 23 % und 32 % Nickel. Direkte Auswirkung auf die Beständigkeit gegen alle Arten von Korrosion hat das Metall Molybdän. Es erhöht die Korrosionsbeständigkeit stärker als Chrom, was sich auch darin widerspiegelt, dass es in der folgend genannten Wirksumme mit dem Faktor 3,3 versehen wird. Stickstoff trägt ebenfalls zur Korrosionsbeständigkeit bei, ist jedoch nur in den hochlegierten Stählen nennenswert enthalten.
Korrosionsbeständigkeit ist dabei keine Werkstoffeigenschaft, sondern ein Werkstoffverhalten, welches sich aus der von der Fläche ausgehenden Wechselwirkung des Stahls mit dem umgebenden Medium ergibt.
Selbst mit mehr als 17% Chrom und hohem Nickel Gehalt können korrosionsbeständige Stähle unter entsprechenden Voraussetzungen korrodieren, denn Korrosion ist nicht gleich Korrosion und korrosionsbeständig ist nicht gleich korrosionsbeständig.
Für die Abschätzung der Beständigkeit eines nickelhaltigen nichtrostenden Stahls gegen Loch- und Spaltkorrosion wird eine Wirksumme benutzt. Sie ist auch bekannt unter dem Kürzel PRE ( Pitting Resistance Equivalent) und wird nach folgender Formel berechnet:
WS = %Cr + 3,3 * %Mo + 30 * %N
Je höher die Wirksumme ist, desto beständiger ist der Werkstoff gegenüber Spalt- bzw. Lochfraßkorrosion. Legierungen mit einer Wirksumme von über 33 gelten als meerwasserbeständig.
Die Wirksumme des unter dem Namen „18/10“ bekannten Stahls (1.4301, X5CrNi18-10), aus dem überwiegend Töpfe und andere nichtrostende Haushaltsgeräte hergestellt werden, beträgt 18,5, da er im Mittel zwar 18,5 % Chrom, jedoch weder Molybdän noch Stickstoff enthält. Der in der Technik häufig verwendete Stahl 1.4571 (X6CrNiMoTi17-12-2) kommt auf eine Wirksumme von 24,9 und gilt allgemein nicht als meerwasserbeständig. Trotzdem wird er im Meerwasserbereich meist aus wirtschaftlichen Gründen verwendet.
Ab welcher Wirksumme Stähle als meerwasserbeständig gelten, hängt von der Wassertemperatur ab. Bei 10 °C reicht eine Wirksumme von 25, bei 25 °C sollte die Wirksumme 30 betragen und bei 40 °C beginnt die Beständigkeit bei 35. Neben der Temperatur sollen auch konstruktive Bedingungen beachtet werden. Oft unterschätzt werden Spalten wie Überlappungen, aufgesetzten Stegen und nicht durchgeschweißten Schweißnähten. Sie begünstigen die tückische Spaltkorrosion. Selbs nichtrostende Stähle können in Spalten korrodieren, wenn dort kein Sauerstoff zur Ausbildung der schützenden Oxidschicht vorhanden ist. Ein Beispiel einer solchen Situation zeigt Abb. 1.
Abb. 1 Beispiel einer Spaltkorrosion a) Proben vor der Auslagerung, b) Proben nach 3 Monaten Auslagerung in der Nordsee
Proben aus mit Muttern verschraubten Röhren die Stahl 1.4571 bestanden, wurden mithilfe von Halterungen aus Kunststoff befestigt (Abb. 1a) und in der Nordsee ausgelagert. Dabei wurde leider nicht auf einen richtigen Abstand zwischen den Schraubenmuttern und den Halterungen geachtet. Bereits nach 3 Monaten konnte man deutliche Korrosionserscheinungen beobachten (Abb. 1b). So wirkten sich die entstandenen Spalten auf die Beständigkeit aus.
Die Spaltkorrosion kann unterbunden werden, indem man konstruktiv auf Spalte verzichtet oder diese so groß ausführt, dass die Diffusion der Medien nicht behindert wird. Zudem können konstruktiv unvermeidliche Spalten mit Kunststoffen versiegelt werden.
Korrosion war, ist und bleibt ein großes Problem im Alltag und in der Technik, auch wenn man gute und geeignete Werkstoffe verwendet.<<