Metalle für Implantate

Materialien für Implantate müssen ganz bestimmte Anforderungen erfüllen. Biokompatibilität und Bioadhäsion stehen dabei im Vordergrund. Bei einigen Implantaten spielen auch mechanische Eigenschaften eine wichtige Rolle und dann sind dafür Metalle besonders geeignet. Ein Paradebeispiel für solche Implantate sind Hüftgelenkprothesen.

Einteilung von Implantat-Metallen

In der EU haben wir für diesen Bereich die ISO-5832-Normenreihe „Chirurgische Implantate – Metallische Werkstoffe“. Diese Normen legen Eigenschaften und Prüfverfahren für schmiedbare, kaltumformbare und nichtrostende metallische Werkstoffe fest, die zur Herstellung von chirurgischen Implantaten verwendet werden. Drei Gruppen von metallischen Werkstoffen werden dort genannt: nichtrostende Stähle, Titan und seine Legierungen sowie Kobalt-Legierungen.

Weiterhin wird bei diesen Metallen zwischen zementfreien oder zementpflichtigen unterschieden. Bei dem „Zement“ handelt es sich um einen Kunststoff, mit dem die Implantate befestigt werden. Er härtet innerhalb weniger Minuten zu einer starren Masse, die Knochen und Prothesen fest miteinander verbindet.

Nichtrostende Stähle

Heute stehen viele verschiedene Sorten nichtrostender Stähle zur Verfügung. Da bei Implantaten auch eine sehr gute Korrosionsbeständigkeit verlangt wird, werden dafür austenitische Chrom-Nickel-Stähle bevorzugt. Dabei finden hochlegierte und aufgestickte (d. h. stickstoffhaltige) Sorten eine besondere Beachtung.

Ein Beispiel dafür ist der Stahl FeCr22Ni10Mn4Mo2NNb. Aus diesem Stahl ist der in Abb. 1a gezeigte Hüftschaft gefertigt. Der Schaft war 12 Jahre im Einsatz und wurde wegen eines Unfalls entfernt. Die in der Abbildung erkennbaren Flecken sind keine Korrosionsprodukte sondern Reste von getrocknetem Blut. Sie konnten leicht entfernt werden.

                  Abb. 1 Implantate a) Hüftschaft aus Stahl, b) Zahnimplantate aus Titan

Der genannte Stahl enthält sehr wenig Kohlenstoff (max. 0,08%) und mehrere Legierungselemente. Er hat eine hervorragende Korrosionsbeständigkeit sowie eine sehr gute Festigkeit und Verschleißbeständigkeit. Einen gewissen Nachteil der Chrom-Nickel-Stähle ist eben der ziemlich hoher Nickel-Gehalt und damit in bestimmten, jedoch seltenen, Fällen die Gefahr einer Allergie.

Die Zugabe von Stickstoff kann verwundern, da er oft ein negatives Begleitelement bei Stählen genannt wird. Jedoch, wie es so oft ist, es kommt drauf an. Aufstickung bedeutet allgemein die Aufnahme von Stickstoff in metallischen Werkstoffen. Bei Temperauren um 500°C bilden sich dann in der Randzone harte Nitride. Diese Aufstickung bezeichnen wir technisch als Nitrieren. Bei Temperaturen um 700°C tritt die Aufstickung im Werkstoffinneren auf. Durch den interstitiell gelösten Stickstoff kommt es dabei zur Mischkristall- und Korngrenzenhärtung. Diese Wirkung ist insbesondere bei den austenitischen Chrom-Nickel-Stählen ausgeprägt und wird ausgenutzt. Zudem erhöht Stickstoff die Korrosionsbeständigkeit und verzögert die Bildung von Ausscheidungen.

Ähnlich wie das teure Nickel stabilisiert Stickstoff den Austenit und so kann so es zu einem bedeutenden Anteil ersetzt werden. Durch Verwendung von modernen Verfahren, wie des Druck-Elektro-Schlacke-Umschmelz-Verfahrens (DESU), ist es möglich, hochaufgestickte Chromstähle mit sehr geringen Stickstoff-Gehalten herzustellen.

Der genannte Stahl wird für zementierte Implantate verwendet. Er lässt sich gut schmieden. Über korrosionsbeständige (nichtrostende) Stähle können Sie unter unserem Link Korrosionsbeständige Stähle mehr lesen.
Stähle sind, und werden bleiben, die wichtigsten Werkstoffe in der Technik. Und auch in der Medizintechnik werden sie sicher weiter erfolgreich verwendet.

Titan und seine Legierungen

Die oben genannten Anforderungen an Implantatwerkstoffe werden von Titan fast perfekt erfüllt. Besonders beeindruckend ist, dass die mechanischen Eigenschaften von Titan denen des menschlichen Knochens ähnlich sind. Dank der möglichen Vorbereitung der Oberfläche können Titan-Implantate ohne Zement eingesetzt werden. Die Osseointegration erfolgt dann durch direktes Anwachsen des Knochens auf die aufgeruhte Implantat-Oberfläche.

Für Implantate werden sowohl reines (unlegiertes) Titan als auch Titan-Legierungen verwendet. Beim reinen Titan werden insbesondere die Grade 1 und Grade 4 (nach ASTM) bevorzugt. Daraus werden beispielsweise Zahnimplantate hergestellt. Abb. 1b zeigt mehrere in einem Kiefer eingebaute Zahnimplantate aus Titan.
Bei den Titan-Legierungen finden zwei Anwendung in der Medizintechnik. Die eine trägt die Bezeichnung TiAl6V4 und ist auch in der Flugzeugtechnik gut bekannt. Es ist eine hochfeste Legierung, die aus Titan sowie 6% Aluminium und 4 % Vanadium besteht. Die Legierung ist die mit Abstand am häufigsten verwendete Titanlegierung und zeichnet sich durch hohe Festigkeit sowie durch gute Beständigkeit gegen Korrosion aus. Die oft verwendete Werkstoffbezeichnung nach ASTM ist Titan Grade 5.

Die Bezeichnung der zweiten Titanlegierung für Implantate lautet TiAl6Nb7. Sie weist eine zu TiAl6V4 ähnliche chemische Zusammensetzung auf, jedoch enthält anstelle von Vanadium 7 % Niob. Ähnlich wie bei allen Titan-Werkstoffen ermöglicht das Verhältnis von großer Festigkeit zu einer relativ geringen Dichte bei exzellenter Korrosionsbeständigkeit ein breit gefächertes Spektrum an Einsatzmöglichkeiten. Die Legierung TiAl6Nb7 wurde speziell für die Medizintechnik entwickelt. Sie weist eine sehr gute Biokompatibilität auf und ruft kaum allergische Reaktionen hervor. Die beiden genannten Titan-Legierungen sind Knetlegierungen und dementsprechend lassen sie sich gut plastisch umformen.

Über Eigenschaften von Titan und seine Eignung für Implantate können sie unter unserem Link Titan lesen. Titan wird mit Recht als Werkstoff der Zukunft bezeichnet. Dies gilt sicher auch für die Medizintechnik.

Kobalt-Legierungen

Die Kobalt-Legierungen sind in der Medizintechnik nicht so bekannt wie Stahl oder insbesondere wie Titan. Sie finden jedoch dort auch wichtige Anwendung, da sie die Anforderungen an Implantatwerkstoffe gut erfüllen. Alle Kobalt-Legierungen gehören zur den zementpflichtigen Werkstoffen.

Die wichtigste Legierung dieser Gruppe ist die Kobalt-Chrom-Legierung CoCr28Mo6 (sie trägt auch den klangvollen Namen „Vitallium“), die im Durchschnitt 28% Chrom und 6% Molybdän enthält. Dazu kommen noch geringe Mengen (jeweils bis 1%) von Nickel, Eisen, Mangan und Silizium. Zum Einsatz kommen drei Sorten dieser Legierung, die sich vor allem durch den Kohlenstoff-Gehalt unterscheiden und damit auch Unterschiede im Gefüge aufweisen und entsprechend unterschiedliche Eigenschaften haben.

CoCr28Mo6-Sorte mit 0,35% Kohlenstoff hat ein austenitisches Grundgefüge mit groben Karbiden. Diese Sorte zeichnet sich zwar durch die für diese Gruppe typische hohe Verschleißbeständigkeit aber durch mäßige Festigkeit aus. Es ist eine Gusslegierung, bei der Präzisionsguss möglich ist und damit die Herstellung von Teilen mit komplexen Geometrien.

CoCr28Mo6-Sorte mit 0,2% Kohlenstoff hat ein feinkörniges austenitisches Grundgefüge mit feinen Karbiden. Diese Sorte besitzt eine hohe Verschleißbeständigkeit und auch hohe Festigkeit. Sie ist zum Warmschmieden geeignet.

CoCr28Mo6-Sorte mit 0.05% Kohlenstoff hat durch den sehr geringen Kohlenstoff-Gehalt ein feines austenitisches Gefüge und keine Karbide. Diese Sorte zeichnet sich durch hohe Festigkeit und Verschleißbeständigkeit und ist warm- und kaltumformbar.

Neben den CoCr28Mo6-Sorten findet auch die Kobalt-Chrom-Nickel-Legierung CoNi35Cr20Mo10 als Implantatwerkstoff Anwendung. Diese Legierung enthält sehr wenig Kohlenstoff und hat ein feinkörniges austenitisches Gefüge sowie gute Festigkeit. Der hohe Nickelgehalt von etwa 35% kann allergische Reaktionen verursachen.

Das Metall Kobalt ist selbst sehr interessant und zählt heute zu den strategisch sehr wichtigen Materialien. Es findet eine sehr breite und vielfältige Anwendung, in Stählen, in verschleißfesten Stelliten oder als Binderphase in Hartmetallen und Diamantwerkzeugen. Die aktuelle Verwendung in Lithium-Ionen-Batterien hat die Bedeutung von Kobalt weiter erhöht.<<

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