Fraktographie ist die Beschreibung und Beurteilung von Bruchflächen. Mit anderen Worten es ist das schlussfolgernde Lesen einer Bruchfläche. Und wenn es zu einem Bruch des Bauteils kommt, ist diese Bewertung unabdingbar. Jede Bruchfläche muss sorgfältig betrachtet werden. Ihre Merkmale sind mit dem Geschehen verbunden, sie ist eine Fundgrube von Erkenntnissen, die Entstehung einer nächsten Bruchfläche, also einen nächsten Schadensfalls, verhindern können.
Die makroskopischen und mikroskopischen Bruchmerkmale dienen zur Ermittlung der Bruchart, des Werkstoffverhaltens und der Beanspruchungsart vor allem bei der Schadensanalyse und insbesondere bei metallischen Werkstoffen.
Erfolgt die Untersuchung mit dem bloßen Auge oder einer schwachen Vergrößerung, so spricht man von Makrofraktographie. Werden dagegen ein höher auflösendes Lichtmikroskop oder gar ein Elektronenmikroskop verwendet, so spricht man von Mikrofraktographie.
Brucharten
Die Gesamterscheinung des Bruches lässt Schlüsse auf die Bruchart. Brüche kann man zunächst in zwei Gruppen (Abb. 1) aufteilen:
- durch einmalige Überlastung erzeugte Gewaltbrüche,
- durch wiederholte Beanspruchung entstehende Schwingungsbrüche (Dauerbrüche).
Abb. 1 Einteilung von Brüchen
Unabhängig vom zeitlichen Verlauf der Belastung (ob langsam ansteigend oder schlagartig) treten Gewaltbrüche als Verformungsbrüche oder als verformungslose oder verformungsarme Sprödbrüche auf. Abb. 3 zeigt einen spröden Gewaltbruch an einer Baggerschaufel.
Eine dritte Kategorie bilden die Kriechbrüche, zu deren Entstehung jedoch besondere Randbedingungen (Temperatur, Zeit) vorliegen müssen, die sich von denen der vorgenannten Brucharten deutlich unterscheiden.
Bruchphänomenen liegt grundsätzlich eine Überbeanspruchung zugrunde. Dabei reicht, insbesondere zur Entstehung von Spröd- und Dauerbrüchen, eine lokale Überbeanspruchung aufgrund von Spannungsspitzen durch inhomogene Lastverteilung aus. Vorhandene Spannungskonzentrationen werden durch Materialfehler, wie z.B. Einschlüsse, Lunker, Mikrorisse etc. noch verstärkt. Ein Bruch eines Werkstoffs bzw. eines Bauteils kann somit bei makroskopischen Belastungen auftreten, die deutlich unterhalb seiner Streck-bzw. Dehngrenze liegen.
Beurteilung von Dauerbrüchen
In der Praxis spielt die Fraktographie von Dauerbrüchen eine sehr wichtige Rolle, da diese Brüche die Mehrheit der Schadensfälle bilden.
Die Bruchflächen eines durch wiederholte Belastungen entstandenen Schwingungs- oder Dauerbruchs weisen typische Merkmale auf (s. Abb. 1):
- das Vorhandensein einer relativ glatten, von einzelnen bogenförmigen Linien durchzogenen Dauerbruchfläche und
- einer rauen, zerklüfteten Restbruchfläche.
Die bogenförmigen Linien entstehen durch Betriebslastwechsel, Maschinenstillstand oder ungleichmäßigem Rissfortschritt. Sie werden daher auch Rastlinien genannt.
Im gedachten Ursprung der Rastlinien liegt meist die Anbruchstelle, an der häufig auch die Ursache des Risses gefunden werden kann (z.B. Anriss, Oberflächenbeschädigung oder Einschlüsse).
Die Restbruchfläche entsteht schließlich durch einen Gewaltbruch als Folge der zunehmenden Verringerung des tragenden Querschnitts durch den Schwingungsriss.
In Abb. 2 ist die Entstehung eines Dauerbruches am Beispiel einer gebrochenen Antriebsachse anschaulich dargestellt.
Abb. 2 Beschreibung eines Dauerbruches
Ein schönes Beispiel aus der Praxis zeigt Abb. 4. Bei einem gebrochen Seil sind an den Drähten viele Dauerbrüche sowie einige Gewaltbrüche erkennbar.
Abb. 3 Gewaltbruch an einer Baggerschaufel Abb. 4 Dauerbruch an einem Seil
Die Fraktographie beruht vor allem auf Erfahrung. Diese besondere Leseart von Brüchen kann niemand nur theoretisch aus einem Buch lernen. <<