Nitinol mit Gedächtnis

Nitinol ist der älteste und bekannteste Werkstoff aus der Gruppe der Formgedächtnislegierungen. Es ist eine Nickel-Titan-Legierung, die in den 1960er Jahren im Naval Ordnance Laboratory in den USA entwickelt wurde. Nach ihren Elementsymbolen sowie dem Instituts erhielt die Legierung ihren Namen, NiTiNOL.

Formgedächtniseffekt

Die Formgedächtnislegierungen zeigen ein ganz außergewöhnliches Verhalten. Wird das Material im kalten Zustand mechanisch verformt, so „erinnert“ es sich nach anschließender Erwärmung über eine ganz bestimmte Temperatur scheinbar an seine ursprüngliche Form und kehrt in diese zurück.

Dieser besondere Effekt basiert auf einer reversiblen Austenit-Martensit-Gefügeumwandlung. Im Gegensatz zum Eisen-Kohlenstoff-System werden mit den Begriffen Austenit und Martensit bestimmte Gitterstrukturen der Legierung bezeichnet. Der Werkstoff nimmt je nach Temperatur verschiedene, stabile äußere Formen an, da die Umwandlung der Gitterstruktur zu einer Änderung des Kristallvolumens führt. Die Formänderung erfolgt relativ schnell in einem kleinen Temperaturbereich.

Bekannt war dieses Verhalten schon sehr früh. Wurde zum Beispiel bei der Herstellung von Tonkrügen ein Fehler wie eine Eindellung noch im plastischen Zustand korrigiert, so war er nach dem Brennen plötzlich wieder vorhanden. An Metalllegierungen konnte der Formgedächtniseffekt jedoch erst im zwanzigsten Jahrhundert beobachtet werden.

Wir unterscheiden den thermischen und den mechanischen Formgedächtniseffekt.

Bei dem thermischen Formgedächtniseffekt wird dem Werkstoff bei einer höheren Temperatur (im Austenit-Zustand) eine Form gegeben (antrainiert). Nach der Abkühlung wird er im Martensit-Zustand wieder verformt. In diesem Zustand ist das Material mechanisch leicht verformbar und behält auch seine Form. Beim anschließenden Erwärmen erinnert sich der Werkstoff an seine ursprüngliche geometrische Form. Diese bleibt auch bei erneuter Abkühlung erhalten. Dies ist schematisch am Beispiel einer Büroklammer in Abb. 1 dargestellt.

                                                                                                                                                                                                                   Abb. 1 Thermischer Formgedächtniseffekt a) geformte Büroklammer, b) Verformung,                                                     c) Erwärmen mit heißem Wasser und Rückkehr zur ursprünglichen Form

Bei dem mechanischen Formgedächtniseffekt kann die innere Struktur des Werkstoffes allein durch Aufbringen oder Rücknehmen einer Kraft zwischen austenitischer und martensitischer Form wechseln. Dabei sind hohe elastische Dehnungen möglich, wodurch dieser Effekt auch Pseudoelastizität genannt wird.

Andere Formgedächtnislegierungen 

Neben den Nickel-Titan-Legierungen zeigen ebenfalls Kupfer-Zink-Aluminium-Legierungen den Formgedächtniseffekt. Neuerdings gehören auch spezielle Eisen-Mangan-Silizium-Legierungen sowie einige Kunststoffe zu der Werkstoffgruppe.

Nickel-Titan-Legierungen sind jedoch den anderen Legierungen in fast allen Formgedächtniseigenschaften überlegen und aufgrund ihrer Biokompatibilität für den Einsatz in der Medizintechnik prädestiniert. Allerdings sind sie schwierig herzustellen und zu verarbeiten. Nitinol ist teuer, da das Legieren unter Vakuum erfolgen muss und bereits geringe Verunreinigungen die gewünschten Materialeigenschaften negativ beeinflussen.

Wegen des hohen Preises wird Nitinol nicht in Massenprodukten eingesetzt. Strukturell gesehen ist Nitinol eine intermetallische Phase mit einem kubischen Kristallgitter und besteht zu ca. 55% aus Nickel, der Rest ist Titan. Die Legierung hat eine vergleichsweise hohe Dichte von ca. 6,4 g/cm³ und hohe Schmelztemperatur von ca. 1300°C. Sie ist bis 650°C verwendbar, korrosionsbeständig und hochfest.                              

                   Abb. 2 Stent aus Nitinol

Anwendung von Nitinol in der Medizintechnik

Nitinol findet bis heute die größte Verwendung, da das Material über einen äußerst stark ausgeprägten Formgedächtniseffekt verfügt und auch über eine Vielzahl an Verformungszyklen keinen Abbau der Effektgröße aufweist.

Die ungewöhnliche Fähigkeit von Nitinol, große Belastungen aufnehmen zu können, im Zusammenhang mit der Verträglichkeit mit menschlichem Gewebe hat einen weitreichenden Anwendungsbereich in der Medizintechnik zur Folge. Dies gilt sowohl für medizinische Mehrweg- als auch Einweginstrumente, Implantate und Komponenten. In Abb. 2 ist ein Stent aus Nitinol gezeigt, ein Implantat zum Offenhalten von Gefäßen.<<

 

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