AFP- und HDS-Stähle

Es gibt Stähle, die ziemlich verschlüsselte, fast geheime Bezeichnungen tragen. So ist es beispielsweise bei den beiden im Titel genannten Stählen. Außer ihrer besonderen Namen haben die beiden Stahl-Sorten allerdings kaum etwas Gemeinsames. Doch: Sie sind junge und moderne Werkstoffe.

AFP-Stähle

Ihre Bezeichnung ist eine Abkürzung von „Ausscheidungshärtende Ferritisch-Perlitische“-Stähle. Sie werden hauptsächlich für geschmiedete Bauteile im Automobil- und Fahrzeugbau eingesetzt. Die Eigenschaften werden hierbei durch eine kontrollierte Abkühlung aus der Schmiedehitze erreicht. Paradebeispiele für solche Bauteile sind Kolbenstangen und Pleuelstangen (Abb. 1).

                                      Abb.1 Pleuel aus AFP-Stahl                              Abb. 2 Umgeformter HSD-(TWIP)-Stahl

In der Schmiedeindustrie werden zwei Stahl-Gruppen verwendet: Vergütungs- und AFP-Stähle. Die Vergütungsstähle erfordern in der Anwendung hinsichtlich der Einstellung der werkstofflichen Eigenschaften eine zeit- und energieaufwendige Prozessabfolge, bestehend aus Härten und Anlassen.
AFP-Stähle erreichen dagegen ihre Einsatzeigenschaften nach einer gezielten Abkühlung an Luft aus der Schmiedewärme. Diese Abkühlung aus hohen Temperaturen führt zu einem Ferrit-Perlit-Gefüge, das meist auch feinkörnig ist. Allerdings sind die AFP-Stähle in ihren Festigkeits- und Zähigkeitseigenschaften beschränkt und den Vergütungsstählen im Allgemeinen doch unterlegen. Sie sind nur schwer schweißbar und sollten daher in Schweißkonstruktionen nicht eingesetzt werden.
Die Anwendung einer direkten, kontinuierlichen Abkühlung der Schmiedeteile von der Schmiedetemperatur (ohne Variation der Abkühlbedingungen während der Abkühlung) ist heute in vielen Schmiede betrieben gängige Praxis. Die derart hergestellten Schmiedeteile aus AFP-Stählen, weisen niedrigere Zähigkeit im Vergleich zu den konventionellen Vergütungsstählen auf. Dieser Nachteil hat ihren Anwendungsbereich auf nicht schlagartig beanspruchte Bauteile beschränkt. Auf der anderen Seite ermöglicht grade die niedrige Zähigkeit der AFP-Stähle das Bruchtrennen von Bauteilen, was vorteilhaft ist. Das Bruchtrennen, was zuerst nach einem Schadensfall klingt, ist ein dem Trennen zugeordnetes Fertigungsverfahren. Es wird vorwiegend für Massenartikel angewendet. Hierbei wird ein Bauteil an einer oder mehreren definierten Sollbruchstellen in zwei oder mehr Teile gebrochen. Die Bruchstücke werden im späteren Fertigungsprozess wieder in der ursprünglichen geometrischen Form zusammengefügt. Bekannt ist das Bruchtrennen insbesondere bei der Fertigung von Lagern, und vor allem eben bei Pleueln. Diese ganz besondere Technologie wird heute erfolgreich angewendet, da sie gegenüber klassischen Fertigungsverfahren eine Reihe von Vorteilen aufweist. Voraussetzung für das Bruchtrennen ist eine ausreichende Sprödigkeit des Werkstoffs, damit keine plastische Verformung auftritt. Diese Anforderung erfüllen die AFP-Stähle. Sie sind manganlegiert mit Vanadiumzusatz. Die bekanntesten Sorten sind: 38MnSiVS5 (1.5221) und 49MnVS3 (1.1199). Die ersten AFP-Sorten wurden erst 1992 von der Georgsmarienhütte GmbH gemeinsam mit anderen Unternehmen entwickelt und eingeführt, es sind also junge Werkstoffe.

HSD-Stähle

Ihre Bezeichnung ist ebenfalls eine Abkürzung und steht für „High Strength and Ductility”, was auf eine ungewöhnliche Kombination aus hoher Zugfestigkeit und ausgezeichneter Verformbarkeit hinweist. Es sind hochlegierte manganhaltige Stähle mit Zusätzen von Aluminium und Silizium. Die verwendeten Legierungselemente sind preiswert und gut verfügbar. Bedingt durch den hohen Anteil an Mangan haben die HSD-Stähle nach der Herstellung ein austenitisches Gefüge. Dieses Gefüge ermöglicht zwei Verfestigungsmechanismen, die je nach Mengenanteil der Legierungselemente auftreten können.
Der eine Mechanismus beruht auf dem den doppelten TRIP-Effekt (Transformation Induced Plasticity), der beim Kaltumformen des Werkstoffs eine Umwandlung des Restaustenits zu Folge hat. Hierbei wird der vorhandene kubisch-flächenzentrierte Austenit zuerst teilweise in einen hexagonalen Martensit umgewandelt. Anschließend erfolgt bei weiterer Krafteinwirkung eine Umwandlung in kubisch-raumzentrierten Martensit. Mit der Veränderung des Gefüges tritt eine Verfestigung des Werkstoffs aufgrund der Martensitbildung auf. Kennzeichnend für den TRIP-Stahl ist eine gute Verformbarkeit bei einer sehr hohen Zugfestigkeit.
Der zweite Verfestigungsmechanismus wird als TWIP-Effekt (Twinning Induced Plasticity) bezeichnet. Durch Kaltumformung kommt es hierbei zur Zwillingsbildung. Das Kristallgitter wird ausgehend von Verschiebungen der aufeinandergestapelten Atomlagen, die als Stapelfehler bezeichnet werden, in umgekehrter Reihenfolge gestapelt. Dies verursacht die sehr gute Verformbarkeit (Abb. 2) des Werkstoffs mit einer Bruchdehnung von über 50%. Die Festigkeit von etwa 1000 MPa ist zwar geringer als beim TRIP-Stahl, aber sie kann trotzdem als gut bezeichnet werden.
Die HSD-Stähle haben bedingt durch ihre Zusammensetzung eine im Vergleich zu anderen Stählen um etwa 5% reduzierte Dichte, was zu guten spezifischen Eigenschaften dieser Stähle führt. Und dadurch ergeben sich viele Leichtbaupotenziale. Sowohl eine hohe Zugfestigkeit als auch eine gute Umformbarkeit werden in einem Werkstoff vereint. TWIP-Stahl besitzt dabei ein Alleinstellungsmerkmal hinsichtlich seiner Umformbarkeit. Der TRIP-Stahl zeichnet sich dagegen durch die Kombination der beiden Eigenschaften aus. Es gibt keinen Stahl, der bei gleicher Umformbarkeit eine bessere Zugfestigkeit bietet.
Diese Eigenschaften sind insbesondere für den Fahrzeugbau wichtig, wo diese Stähle vorzüglich Anwendung finden. Bedingt durch die Verfestigungsmöglichkeiten sind die HSD-Stähle
mit zwei unterschiedlichen Eigenschaftsprofilen erhältlich. Die TWIP-Gruppe eignet sich aufgrund der sehr guten Umformbarkeit für den Einsatz für crashrelevante Bauteile in Kraftfahrzeugen.
Die TRIP-Gruppe wird vorzugsweise für tragende Bauteile verwendet, sodass das Gewicht eines Fahrzeugs verringert wird. Als ein Nachteil der HSD-Stähle kann im Vergleich zu konventionellen Stahlen ein geringerer Elastizitätsmodul von etwa 180.000 MPa genannt werden.
In der Zukunft werden sowohl AFP- als auch HSD-Stähle weitere vielseitige Einsatzmöglichkeiten bieten und somit sicher an Bedeutung in der Technik gewinnen.<<

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