Titan

Titan wird gerne als Werkstoff der Zukunft bezeichnet. Ausschlaggebend für die steigende Bedeutung von Titan ist die einzigartige Kombination seiner Eigenschaften aus geringer Dichte, guter Festigkeit und ausgezeichneter Korrosionsbeständigkeit. Ungünstig ist der hohe Preis des Metalls, der sich aus der aufwendigen Gewinnung ergibt.

Eigenschaften von Titan

Titan ist mit der Dichte von 4,5 g/cm³ das schwerste Metall in der Gruppe der Leichtmetalle. Es ist das 10. häufigste Element in der Erdkruste und kommt in der Natur nur gebunden als Bestandteil vieler Mineralien vor. Wichtige physikalische und mechanische Kennwerte des reinen Titans sind in Tab. 1 aufgelistet.

Tab. 1 Kennwerte von reinem Titan  (bei RT, Angaben zu mechanischen Eigenschaften sind Orientierungswerte)

Kenngröße Wert
 Ordnungszahl  22
 Dichte  4,51 g/cm3
 Schmelztemperatur    1.668 °C (1.941 K)
 Elektrische Leitfähigkeit  2,5·106 S/m
 Wärmeleitfähigkeit  22 W/m·K
 E-Modul  120.000 MPa
 Zugfestigkeit  250 MPa
 Bruchdehnung  40 %
 Härte   120 HB
 Normalpotential -1,63 V 

 

 

 

 

 

 

 

 

Titan ist ein hochschmelzendes und hartes Metall. Eine herausragende Eigenschaft ist seine sehr gute spezifische Festigkeit. Seine elektrische und thermische Leitfähigkeit sind gering. Titan ist paramagnetisch. Trotz seines negativen Normalpotentials (vgl. Tab. 1) ist die Korrosionsbeständigkeit von Titan gegenüber oxidierenden Medien und chloridhaltigen Lösungen (somit auch Meerwasser) ausgezeichnet. Die Ursache dafür ist eine starke Passivierung. Bei Raumtemperatur bildet sich auf der Titanoberfläche eine dünne Passivschicht aus Titanoxid, die sogar von Chlorid-Ionen nicht durchbrochen wird. Das Wachstum der Passivschicht erfolgt schneller als bei den anderen passivierbaren Werkstoffen. Nicht beständig ist Titan in reduzierenden Medien (z. B. Flusssäure). Bei Temperaturen über 400 °C nimmt Titan Sauerstoff, Stickstoff und Wasserstoff aus der Luft auf. Diese werden in das Kristallgitter des Werkstoffs eingebaut und führen zu Versprödung und dadurch zur Bruchgefahr.

Titan ist ein polymorphes Metall. Temperaturabhängig treten seine zwei allotrope Modifikationen: α-Titan mit hdP-Gitter und β-Titan mit krz-Gitter auf. Die Gitterumwandlung erfolgt bei 882 °C. Die Allotropie deutet auf eine Möglichkeit der Umwandlungshärtung von Titanlegierungen, ähnlich wie beim Stahl, hin. Bei Raumtemperatur hat Titan ein hexagonales Gitter dichterster Packung. Bedingt durch das hdP-Gitter ist das Kaltumformen von Titan schwierig, es bewirkt jedoch eine starke Verfestigung. Warmumformen von Titan bereitet wegen der erwähnten Aufnahme von Gasen Probleme. Sehr ungünstig für die Technik ist die schlechte Zerspanbarkeit des Metalls, die durch seine geringe Wärmeleitfähigkeit verursacht ist. Bei der Zerspanung fließt die erzeugte Prozesswärme zum größten Teil in die Werkzeuge und kann nicht mit den Spänen abtransportiert werden. Ein weiterer Grund ist die starke Verfestigung, die einen hohen Widerstand bei der Zerspanung hervorruft. Dadurch brechen die Schneidkanten von Werkzeugen leicht aus. Somit sind spezielle hochwarmfeste Hartmetalle für die Werkzeuge und eine effiziente Kühlung notwendig.

Titan ist ungiftig und hat eine sehr gute Biokompatibilität sowie Verträglichkeit mit menschlichem Gewebe.
Titan wird in vier Reinheitsgraden mit den Bezeichnungen nach dem amerikanischen Standard ASTM: Ti Gr.1, Ti Gr. 2, Ti Gr.3, Ti Gr.4 (EU-Werkstoff-Nr. 3.7025, 3.7035, 3.7055, 3.7065) auf dem Markt angeboten. Reines Titan findet sehr breite technische Anwendung für Wärmetauscherbauteile beim Einsatz von Meer- oder Brackwasser, Gestelle für die Galvanotechnik, Komponenten in Rauchgasentschwefelungsanlagen, Komponenten der Luft- und Raumfahrtindustrie (s. Abb. 1a), Sportzubehör.

Anodische Oxidation von Titan

Eine besondere Eigenschaft von Titan ist, dass es sich mithilfe der anodischen Oxidation einfärben lassen. Durch diese elektrochemische Behandlung können dauerhafte, schöne und intensive Oberflächenfärbungen erzielt werden. Die Farbe entsteht, indem das Licht durch die Oxidschicht gebrochen wird. Der Farbton ergibt sich aus der Dicke der Oxidschicht, die wiederum verfahrenstechnisch einstellbar ist. Diese Färbung von Titan und seinen Werkstoffen hat eine wichtige Anwendung. In der Medizintechnik werden Schrauben bestimmter Größe durch ihre Farbe markiert. Im Flugzeugbau werden auf diese Weise verschiedene Titan-Nieten unterschieden (s. Abb. 1a). Im Konsumbereich (z. B. bei der Uhrenherstellung) wird diese Farbgebung als Designmöglichkeit sehr geschätzt.                                               

                                                 Abb. 1: Anwendungsbeispiele für Titan

Titan als Implantatwerkstoff

Titan und seine Legierungen spielen eine sehr wichtige Rolle in der Medizintechnik. Sie sind sehr gute Implantatwerkstoffe. Die erste Anwendung von Titan für Implantate fand ca. 1985 statt. Implantatwerkstoffe müssen eine Reihe bestimmter Anforderungen erfüllen. Zu den wichtigsten gehören: Biokompatibilität, Bioadhäsion und Korrosionsbeständigkeit. Diese Anforderungen werden vom Titan in hohem Maße erfüllt.

Biokompatibel sind Werkstoffe, bei denen keine oder nur sehr wenige Wechselwirkungen zwischen Implantat und dem Körper auftreten.Titan ist biokompatibel. Da die Passivschicht nicht leitend ist und eine Dielektrizitätskonstante wie Wasser hat, wird sie nicht als Fremdstoff anerkannt. Bioadhäsion bedeutet, dass das Anwachsen des Gewebes bzw. des Knochens muss möglich sein. Dazu sollte insbesondere der E-Modul dem des Knochens (100.000 bis 200.000 MPa) ähnlich sein. Die Bioadhäsion von Titan ist sehr gut. Die Bindung zwischen Titan und Knochen ist stärker als die Festigkeit des Knochens selbst. Der E-Modul von Titan kommt dem des Knochens von allen Biowerkstoffen am nächsten. Implantate sind der Körperflüssigkeit, einer Lösung von ca. 0,9 % NaCl mit einem pH-Wert von etwa 7,4 (5,5 bis 7,8 nach einer Operation) und einem Potential von ca. 400 mV, ausgesetzt. Damit spielt deren Korrosionsbeständigkeit eine wichtige Rolle. Titan ist korrosionsbeständig. Eine Repassivierung (nach Verletzungen der Passivschicht) erfolgt innerhalb von Millisekunden. Dies ist bei Mikrorissen in Knochen wichtig, sie werden „zugeklebt“.

Dazu ist Titan nicht toxisch und verursacht keine Blutgerinnung. Seine geringe Dichte bewirkt einen hohen Tragekomfort und seine niedrige Wärmeleitfähigkeit beugt thermischen Irritationen vor. Titan ist durchlässig für Röntgenstrahlung und unmagnetisch, was eine Prüfung des Implantatzustandes ermöglicht. Ein gut bekanntes Anwendungsbeispiel von Titan in der Medizintechnik zeigt Abb. 1b. Es ist eine Röntgenaufnahme von zwei Zahnimplantaten. <<