Wunderkerze – ziemlich kompliziert

Die Wunderkerze, siebzehn Zentimeter lang, ein paar Sekunden Funkensterne, leises Knistern, sanftes Rauchen – und das war es schon. Und doch ist sie ein kompliziertes Produkt. Wunderkerzen herzustellen ist ein schwieriger Vorgang. Vor allem muss die Tauchmasse stimmen. Sie besteht aus Eisenpulver und aus Nadelschleifstaub. Es ist fein gemahlenes Eisen mit richtiger Körnung. Dieses brennt zusammen mit Bariumnitrat (als Sauerstoffträger) ab, funkenstiebend, mehr oder weniger.
Die breiige Tauchmasse enthält noch zwei Sorten Aluminium, Dextrin (ein Abbauprodukt der Stärke) und Mehl als Bindemittel. Die genaue Rezeptur ist in der Regel Geschäftsgeheimnis des Herstellers. Wer hat sich zuerst diese besondere Mischung ausgedacht? Das ist leider nicht bekannt. Seit dem neunzehnten Jahrhundert werden Wunderkerzen hergestellt. Sie sind vermutlich mit dem Einsatz Erdalkalimetallen zum Leben erwacht.
Das Produkt ist sehr sensibel. Das ist verständlich, da die Verbindung zwischen oxidierenden und metallischen Stoffen zu heftigen Reaktionen führen kann. Im schlimmsten Fall würde der Wunderkerzen-Brei aufkochen und sich am Ende selbst entzünden.
Bei der Fertigung von Wunderkerzen werden dünne verkupferte Stahldrähte, von denen vierhundert kerzengerade in einem Brett sitzen, kurz in die Tauchmasse untergetaucht, herausgezogen, noch einmal kurz „abgedippt“ und dann in einem Metallregal zum Zwischentrocken gelagert. Nach dem Zwischentrocknen wird der Vorgang wiederholt. Die Masse darf nicht unausgewogen, mit Bläschen oder sonstigen Unebenheiten aufgebracht werden. Dann würden sich Tropfen bilden und Brandflecken bleibende Spuren auf dem Boden hinterlassen. So wäre das Wunder dieser freundlich brennenden Kerze vorbei.
Immer wieder ist mit der Zusammensetzung der Wunderkerze experimentiert worden. Zeitweise kam Magnesium zum Einsatz. Das führte aber zu keinem guten Ergebnis. Das Eisenpulver und sein Glanz genügt, um noch immer die Menschen für Wunderkerzen zu begeistern.
Beim Erhitzen gibt es in der Wunderkerze Spannungsrisse. Der Funke wird abgesprengt, brennt, heizt sich auf und zerplatzt erneut in Teile, was zum Sterneneffekt führt. Der Erfolg liegt in der Konsistenz des Eisenpulvers. Ist es zu weich, entstehen nur Fäden. Es muss spröde sein, damit es noch einmal auseinander platzt. Die exakt konzipierte Mixtur aus einer feinen und einer gröberen Krönung lässt ein äußeres und ein inneres Bukett entstehen – was entscheidend für hohe Qualität von Wunderkerzen ist.
So bleibt sie geheimnisvoll, die wunderliche Kerze, deren Erfinder wir noch nicht einmal kennen.<<
Die Quelle der Informationen war das ThyssenKrupp Magazin 1/2004.