Naturkautschuk wird weiter verwendet und bislang ausschließlich aus Kautschukbäumen gewonnen. Nun erforscht man Techniken, die in der Vergangenheit schon einmal angedacht wurden. Es geht um die Gewinnung von Kautschuk aus Löwenzahn, genauer gesagt aus dem russischen Löwenzahn. In seinem Milchsaft ist ein elastisches Biopolymer enthalten. Die Verarbeitung des Löwenzahn-Kautschuk ist weitgehend dem bekannten Prozess ähnlich.
Egal, ob Fahrrad, Motorrad, Auto, Bus, LKW oder Traktor – um mobil zu sein, brauchen diese Fahrzeuge Reifen. Und für Reifen braucht man Naturkautschuk, so enthält beispielsweise ein handelsüblicher LKW-Reifen bis zu 25 kg Naturkautschuk. Denn die Kopie – synthetischer Kautschuk aus Erdöl – kommt an die exzellenten Eigenschaften des natürlichen Vorbildes nicht heran.
Bislang wird die Nachfrage nach dem Naturstoff ausschließlich durch den Kautschukbaum gedeckt, der nur in den Tropen wächst. Jedoch nicht nur der Kautschukbaum, sondern auch der Löwenzahn gehört zu den Pflanzen, die einen weißlichen Milchsaft mit Kautschukanteil produzieren können. Der Naturkautschuk steckt als Rohstoff vor allem in den Wurzeln Löwenzahns. Während in einheimischen Löwenzahn nur ein bisschen von diesem Polymer, dem Biopolymernaturkautschuk, enthalten ist, hat der russische Löwenzahn dagegen eine signifikante Menge an Naturkautschuk und das spezifisch in seinen Wurzeln (Abb. 1). Nur sehr wenige andere Gewächse produzieren Kautschuk in vergleichbarer Qualität.
Abb. 1 „Elastische“ Wurzel des russischen Löwenzahns (Bildquelle: plastverarbeiter.de)
Russischer Löwenzahn, eine bis 15 cm hohe ausdauernde krautige Staude, wurde Anfang des 20. Jahrhunderts in Kasachstan entdeckt. Seine weiße Wurzel ist 30 cm lang, so dick wie ein Zeigefinger und wiegt etwa 200 Gramm. Und schon damals wurde mit ihm experimentiert, in der Praxis durchgesetzt hat er sich jedoch nicht.
Heute gibt es nun wieder Bemühungen den russischen Löwenzahn als Rohstoffpflanze für Kautschuk zu etablieren. Er wird intensiv erforscht. Ziel sind der großflächige Anbau und Verzicht auf die aufwendige Gewinnung aus dem Saft des Kautschukbaums. Russischer Löwenzahn wächst in unseren Breiten. Von den typischen Ackerkulturen in Europa ist er nur mit der Sonnenblume näher verwandt.
Bis es genug Löwenzahn-Latex gibt, sind wir aber weiter auf den traditionellen Naturkautschuk angewiesen. Von ihm profitiert nicht nur die Reifenindustrie, die etwa 70 % der weltweiten Naturkautschukproduktion nachfragt. Die restlichen 30 % werden zu verschiedensten Artikeln verarbeitet, zum Beispiel zu medizinischen Produkten, Matratzen oder Gummistiefeln.
Übrigens: Naturkautschuk hatte wohl Christopher Kolumbus als erster Europäer zu Gesicht bekommen. 1494 sah er auf Haiti, wie Indios mit einem elastischen Ball spielten. Der Stoff wurde aus der Milch des „weinenden Baums“ gewonnen, den Indios als „caao-chu“ nannten.<<